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Wann lohnt sich der Einsatz eines ERP-Systems?

Eigenschaften und Module machen den Unterschied

Funktionalität und die Fähigkeit, Prozesse abzubilden, haben nicht primär etwas mit den Kosten eines ERP-Systems zu tun. Mehr Funktionalität wird in der Regel mehr kosten, da man mehrere Module eines ERP-Systems benötigt. Eine ganz andere Frage ist aber, ob das ERP-System die benötigten Eigenschaften für ihr Unternehmen besitzt, und dies wenn möglich im Standard. Entscheidend ist auch, welche Module man benötigt.

Vor diesem Hintergrund ist die gestellte Frage leicht zu beantworten:

Anschaffung und Betrieb eines ERP-Systems lohnen sich, wenn der Nutzen höher ist als der Aufwand.

In den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz werden ca. 500 ERP-Systeme aktiv vermarktet. ERP steht für Enterprise Resource Planning, also für die Planung aller Unternehmensressourcen. Je mehr geplant werden muss, umso mehr muss das ERP-System abdecken. Ein Bäcker wird keine Personaleinsatzplanung für 10 Angestellte benötigen, ein Krankenhaus oder ein Energieversorger dagegen schon. Ein kleiner Maschinenbauer wird keine Produktionsplanung benötigen. Er wird Unterstützung bei der Organisation seiner Stücklisten benötigen, eine kleine Lagerverwaltung und die Möglichkeit, Adressen zu verwalten, damit er Bestellungen für Lieferanten und Rechnungen für seine Kunden schreiben kann.

Reicht eine Tabellenkalkulation aus?

Wenn eine Tabellenkalkulation für die Abbildung der notwendigen Funktionalität und der Prozesse ausreicht, dann ist das das optimale System für den vorgesehenen Anwendungszweck. Wächst das Unternehmen, ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem die Tabellenkalkulation und eine Textverarbeitung nicht mehr ausreichen. Neue Mitarbeiter kommen schlecht in die täglichen Arbeitsabläufe hinein, da sie durch Office und Co. nicht genügend geführt werden. Wichtige Informationen für den Umgang mit Kunden, Produkten, der Angebotserstellung, der Kalkulation und weiteren Unternehmensbereichen sind in den Köpfen der alten Mitarbeiter. Die Neuen müssen diese Dinge erst noch lernen. Dadurch entstehen Fehler, Fehler verursachen Kosten und sorgen für zu lange Auftragsdurchlaufzeiten oder Terminverschiebungen. Die Probleme lassen sich beliebig weiter fortführen. Und so tritt irgendwann die Situation ein, dass ein ERP-System dringend erforderlich ist.

ERP-Systeme können mit Unternehmen „mitwachsen“

Ein Unternehmen, das sich beispielsweise von der Werkstattorganisation langsam zu einer industrieellen Organisationsform wandelt, wird in verschiedenen Phasen verschiedene ERP-Systeme benötigen. Im Durchschnitt wechseln Unternehmen alle 15 Jahre das ERP-System. Der Grund für den Wechsel eines ERP-Systems sollten neue Anforderungen aus den täglichen Prozessen sein, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen durch ein ERP-System unterstützt werden müssen. Man kann nun ein ERP-System immer wieder durch Anpassungsprogrammierungen funktional und prozessual erweitern. Die Kosten für diese Anpassungen sind aber irgendwann betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar. Dann ist es Zeit für einen Wechsel des ERP-Systems.

Es ist durchaus möglich, mit dem gleichen Personalstamm ein Mehrfaches des Umsatzes zu erreichen, womit die Frage nach den Kosten auf eine betriebswirtschaftliche Entscheidung reduziert wird. Man muss auf dem Weg der Unternehmensentwicklung also beachten, dass man durchaus mehrfach das ERP-System wechselt. Damit diese Systemwechsel auch mit einem erträglichen Aufwand vollzogen werden können, sind einige Dinge zu beachten, die extreme Auswirkungen auf Kosten und Dauer eines Systemwechsels haben.

Halten Sie Ihre Daten sauber!

In unserer Beratertätigkeit beschäftigen wir uns täglich mit den Daten unserer Kunden. Es ist teilweise erschreckend, welchen Datenzustand man vorfindet. Erschreckend vor allem, weil man bei der Frage nach der Datenqualität meist die Antwort „Unsere Daten sind eigentlich in Ordnung“ bekommt. Später folgt dann die Korrektur „Bis auf einige Ausnahmen“. Und genau das sind eben die Dinge, die später viel Geld kosten können,obwohl der Geldabfluss nicht unmittelbar in den Unternehmenszahlen zu erkennen ist. Oftmals, weil man die Kosten gar nicht ermittelt.

Trennen Sie unterschiedliche Informationen!

Man kann seine Daten auch in einer Tabellenkalkulation „sauber“ führen. Datenqualität hat nichts mit dem eingesetzten System zu tun. In ERP-Systemen gibt es unabhängig von der Funktionalität diverse Möglichkeiten, Daten je nach Information getrennt zu halten. Die Lieferantennummer eines Lieferanten für eine Schraube hat zum Beispiel nichts mit der Artikelbezeichnung zu tun. Wir erleben immer wieder, dass ein Artikel, den man bei „Lieferant A“ bezieht, in der Artikelbezeichnung auch die Artikelnummer von „Lieferant A“ enthält. Wenn man ein identisches Produkt auch bei einem anderen Lieferanten beziehen kann, legt man dann eben mal einen neuen Artikel an.

Achtung: Damit existieren schon zwei Artikelstämme für eigentlich einen Artikel. Es müssen zwei Artikelstämme gepflegt, zwei Lagerbestände dispositiv verwaltet werden usw. Dies sind dann die Kosten, die meist niemand erkennt und beachtet. Wenn das ERP-System keine Möglichkeit hat, die Lieferanten-Artikelnummer abzubilden, schreibt man sie in ein freies, nicht für andere Dinge verwendetes Feld oder in eine Notiz, die mit dem Artikelstamm verbunden ist. Wichtig ist, dass verschiedene Informationen getrennt gehalten werden. Wenn man pro Artikel nur eine Notiz anlegen kann und keine Felder im Artikelstamm mehr frei sind, kann man für jeden Lieferanten ein Dokument anlegen, das die Lieferantenummer als Namen beinhaltet und im Inhalt des Dokuments die Lieferantenartikelnummer.

Dies sind nur einige wenige Beispiele dafür, wie man von Beginn an für eine hohe Datenqualität sorgen kann. Wenn das neue ERP-System Artikel-Lieferantenreferenzen abbilden kann, können die Informationen bei der Datenübernahme ohne Aufwand importiert werden. Wenn Ihre Datenqualität nicht ausreicht, müssen die Daten maschinell oder manuell aufbereitet werden. Und das kostet wiederum Geld, womit wir schon wieder bei den Kosten sind. Es liegt also an jedem Unternehmen selbst, wie viel ERP es sich leisten kann.

Neben dem Vorteil einer reibungslosen Datenübernahme bei einem Systemwechsel sorgt eine hohe Datenqualität für noch viel wesentlichere Vorteile.

Datenqualität wird in Zukunft immer mehr Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen haben!

Welches Unternehmen kann schneller und zuverlässiger mit stetig hoher Qualität liefern? Wer kann schneller fertigen, wenn streng auftragsbezogen disponiert wird? Wer kann mehr Produktvarianten im Markt positionieren und auf Kundenwünsche individueller eingehen? Die Antworten auf all diese Fragen hängen von der Datenqualität und dem Unterstützungsgrad des eingesetzten ERP-Systems ab. Neben der Datenqualität hängt ein erfolgreicher und somit lohnenswerter Einsatz eines ERP-Systems von den Prozessen und der Organisation eines Unternehmens ab. Wenn zum Beispiel die Struktur eines Angebots von dem einzelnen Mitarbeiter abhängt und jeder macht, was er möchte, ist dies nicht effektiv. Es macht nach außen einen schlechten Eindruck und bedeutet, dass das ERP-System jeden Mitarbeiter auf seinem individuellen Weg unterstützen muss. Und dies kostet Geld, das an anderen Stellen fehlt.

Optimieren Sie Ihre Prozesse!

In einem kleinen, eher werkstattorientiert arbeitenden Unternehmen ist das Thema Prozessoptimierung meist nicht relevant. Die Anzahl der Mitarbeiter ist überschaubar und die Mitarbeiter wissen, wer was zu tun hat und wer für was zuständig ist. Wenn die Anzahl der Mitarbeiter in einem Unternehmen wächst, sollte man nicht vergessen, Prozesse zu standardisieren und zu dokumentieren. Die Prozessdokumentation ist gerade für neue Mitarbeiter ein geeignetes Medium, um sich schnell einen Überblick über alle Prozesse eines Unternehmens und die Prozesse, die in den Zuständigkeitsbereich der neuen Mitarbeiter fallen, zu verschaffen.

Nicht nur neue Mitarbeiter profitieren von einer aktuellen Prozessdokumentation. Auch das Unternehmen profitiert, indem die neuen Mitarbeiter schneller in ihre Aufgabe eingearbeitet werden können und weniger Fehler entstehen. In der Prozessdokumentation sollte stets Bezug zu den Systemen genommen werden, die die Prozess-Schritte unterstützen, egal ob es sich dabei um ein ERP-System oder eine Tabellenkalkulation handelt. Es werden bestimmt nicht alle Prozess-Schritte durch ein ERP-System unterstützt. Es gibt immer eine Mischung aus mehreren Systemen.

Soll zum Beispiel im Anhang eines Angebots, das im ERP-System erstellt wird, noch eine komplexe technische Auslegung mitgegeben werden, die in einem externen System erstellt wird, so muss dies beschrieben werden. Es reicht nicht aus, „technische Auslegung ausführen und mitgeben“ zu dokumentieren. Mit welchen Programm wird die Auslegung durchgeführt, welche Daten sind notwendig, wo kommen diese her, wo befindet sich das Programm? All diese Informationen sollten in einem ausreichenden Detaillierungsgrad dokumentiert werden.

Prozessdokumentation ist aufwendig, aber lohnenswert!

Wir als externe Berater können uns anhand einer guten Prozessdokumentation schnell in ein Unternehmen hineindenken und uns einen guten Überblick verschaffen. Existiert keine Prozessdokumentation, ist die Aufnahme und Optimierung mit mehr Aufwand für externe Berater verbunden und somit entstehen höhere Kosten.

Es spielt eine geringere Rolle, wie die Prozesse dokumentiert werden. Der Detaillierungsgrad ist das Wesentliche. Egal, ob die Dokumentation in einer Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder graphischen Systemen erstellt wurde. Es ist teils sinnvoll, ein BPM-System (Business Process Management) dazu einzusetzen. Selten erlebt man in der Praxis bei Unternehmen bis 500 Mitarbeiter, dass dieser Aufwand betrieben wurde. Aufwand bedeutet, dass man mit dem BPM-System eine Prozessoptimierung vornimmt, indem man automatisiert Prozesszeiten ermittelt, um Störungsgrößen zu identifizieren.

Sinnvoll bedeutet: Wenn man beispielsweise die Zusammenhänge der Prozesse mittels BPM graphisch darstellen, Verlinkungen zu anderen Objekten und die Verwaltung von verschiedenen Dokumenten an den Prozessen vornehmen kann, ist damit schon sehr viel erreicht. Man muss das richtige Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen beachten und sich für ein System entscheiden, das zu dem Projekt passt. Prozessaufnahme und -optimierung spielen eine äusserst wichtige Rolle.

Die Wahrheit muss ins System!

Wenn dieser Leitspruch stets beachtet wird, sollten sich später keine größeren Probleme bei Systemumstellungen oder der maximalen Nutzung der Standardfunktionalität eines ERP-Systems ergeben. Die ERP-Hersteller haben den Funktionsumfang ihrer Systeme nicht auf der grünen Wiese erfunden, sie stellen einen Querschnitt aus vielen Unternehmen und der in den Unternehmen benötigten Funktionalität dar. Wenn man sich bei dem Design der eigenen Prozesse an den Leitspruch hält, dass die Wahrheit ins System muss, wird man eher in der Lage sein, die Standardfunktionalität der ERP-Systeme zu nutzen

Dazu ein Beispiel:

Ein Mitarbeiter in der Materialwirtschaft hat alle Farben der Kunden im Kopf und lässt die Blechteile im Bedarfsfall in der entsprechenden Farbe lackieren. Dies wurde jahrelang praktiziert, auch vor dem Einsatz eines ERP-Systems. Nachdem der Betrieb gewachsen ist, mehr Umsatz mit mehr Mitarbeitern macht, hat man festgestellt, dass man Probleme hat, die Blechteile in den entsprechenden Farben rechtzeitig zu disponieren. Es gibt Verzögerungen in der Montage, damit bei den Kundenterminen, es werden teilweise sogar falsche Farben ausgeliefert. Nach ein paar Untersuchungen hat man festgestellt, dass die Farbausprägungen in dem mittlerweile eingeführten ERP-System nicht abgebildet sind. Man hat also bei der ERP-Einführung diesen Prozess einfach nicht beachtet.

Wahrscheinlich hatte man wichtigere Aufgabenstellungen zu lösen und „da war ja noch der Mitarbeiter, der die Farben im Kopf hat“. „Man kann das ja zu einem späteren Zeitpunkt nachholen“, hatte man sich damals wahrscheinlich gedacht. Die Annahme, dass man das zu einem späteren Zeitpunkt nachholen kann, ist generell richtig, aber auch extrem teuer und mit viel Aufwand versehen. Man hätte damals erkennen müssen, dass in den Stücklisten, die in der Konstruktion entstehen, eine Stücklistenebene fehlt. Und zwar genau die, die für die Farbausprägung notwendig ist. Ohne diese Stücklistenstufe kann man mit dem Standard eines ERP-Systems die Farbe nicht über die logistische Kette hinweg abbilden. Das Problem ist nun, dass Blechteile, die laut ERP-Definition ohne Farbe und unter einer eindeutigen Artikelnummer geführt werden, „in Wahrheit“ auch mit verschiedenen Farben im Lager geführt werden – dies ist aber im ERP-System nicht abgebildet. Den Bestellungen, die bei Lieferanten ausgelöst wurden, konnte man die Farbe des Blechteils nicht ansehen, es gab nur eine Artikelnummer. Eine Disposition dieser Blechteile war im ERP-System also nicht möglich, dementsprechend kam es bei Auftragsspitzen oder bei Krankheit oder Urlaub des „Farbenexperten“ zu großen Problemen.

Die Ursache war also ein organisatorisches Problem. Man hatte sich keine Mühe gemacht, die Wahrheit ins System zu bringen. Das System an sich ist nicht das Problem, ERP und CAD hätten diesen Fall im Standard abbilden können. Der Betrieb steht jetzt vor der Entscheidung, alle Stücklisten in CAD und ERP umzubauen oder das Problem aufrecht zu erhalten, in dem man das System mit viel Anpassungsaufwand verbiegt. Empfehlenswert ist hier der Umbau aller Stücklisten in CAD und ERP. Ansonsten hat man bei dem nächsten Wechsel des ERP-Systems wieder das gleiche Problem. Auch dieser Fall hat mit Datenqualität zu tun – man kann nicht oft genug darauf hinweisen.

Schulungs- und Beratungskosten

In der Regel liegen die Schulungs- und Beratungskosten beim Zweifachen der Lizenzkosten. Dies gilt für Betriebe ab ca. 10 ERP-Arbeitsplätzen. Sollte der Schulungs- und Beratungsaufwand geringer sein, ist dies beim Anbieter noch einmal zu hinterfragen. Es ist nicht seriös möglich, eine exakte Zahl zu nennen, da sich die Kosten auch nach der Komplexität der Anwendung richten. Man kann die notwendigen Investitionen in ein ERP-System nicht nur nach der Größe, dem Umsatz und der Anzahl der Mitarbeiter abschätzen.

Ein ERP-Hersteller kann nach einem Vor-Ort-Besuch und nach Erhalt entsprechender Informationen zu den Kern-Prozessen und Kern-Anforderungen ein Angebot unterbreiten, das eine erste Richtung vorweisen kann.