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ERP-Systeme erfolgreich einsetzen

Entscheidung

Workshop und Referenzbesuche sollten das Unternehmen nun in die Lage versetzen, eine sichere Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung zu einem ERP-Anbieter ist wie eine Ehe, eine Trennung ist nicht vorgesehen. In Deutschland wechseln Unternehmen im Durchschnitt alle 15 Jahre das ERP-System. Diesen Zeitraum sollte die Ehe also mindestens halten. Diese Tatsache sollte bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Neben den funktionalen und prozessualen Anforderungen ist die Unternehmensgröße des ERP-Suchenden und die Unternehmensgröße des ERP-Anbieters ein wichtiger Faktor. Wenn sich ein Unternehmen mit 40 ERP-Arbeitsplätzen für einen ERP-Anbieter entscheidet, dessen Kunden im Durchschnitt 500 ERP-Arbeitsplätzte haben, ist der ERP-Suchende bei diesem Anbieter ein kleiner Kunde. Dementsprechend wird er auch behandelt werden. Ich halte diese Formulierung bewusst sehr allgemein, weil dies nicht automatisch einen Nachteil bedeutet, es kommt immer auf den Einzelfall an. Neben diesem Aspekt bei der Entscheidung habe ich bereits den „Nasenfaktor“ angesprochen. Dieser bezieht sich nicht nur auf den Projektleiter, man sollte allgemein mit der Art des ERP-Anbieters über die kommenden Jahre klarkommen.

Bei der Entscheidung und den damit verbundenen Vertragsverhandlungen sollte man bedenken, dass ein Projekt beiden Seiten Spaß machen muss. Wenn man z.B. Tagessätze für Schulung und Beratung verhandelt, die extrem niedrig sind, wird das Projekt dem ERP-Anbieter nicht besonders viel Spaß machen. Wenn er parallel Projekte betreut, in denen der Deckungsbeitrag höher ist, wird er bei „Beraterknappheit“ eher das Projekt mit dem höheren Deckungsbeitrag bedienen. Man muss sich vor allem darüber klar sein, auf was man sich einlässt. Wenn man sich beispielswiese für ein EBF (siehe Inhaltsseiten „Projektdefinition und notwendige Ressourcen“) und nicht für ein ERP entscheidet, muss man wissen, dass ein EBF zu Beginn des Projekts eventuell viel Entwicklungsarbeit kostet, dafür die Prozesse aber „feiner“ abgebildet werden können. Dies hat Auswirkungen auf die Inbetriebnahme.

Abschließend möchte ich noch das Thema „Investitionssicherheit“ ansprechen. In meinen Projekten werde ich meist zuerst zu diesem Thema angesprochen. Durch einen ERP-Anbieter, der sehr groß ist, viele Angestellte hat, eine hohe Installationszahl vorweisen kann und finanziell stabil ist, verspricht man sich Sicherheit. Viele lassen die Tatsache außer Acht, dass fast schon jeder ERP-Hersteller von Übernahmeversuchen betroffen war, auch die ganz Großen. Dies hat fast die gleichen Auswirkungen wie das Verschwinden eines ERP-Anbieters. Der Käufer ist oft auch ERP-Hersteller, der es auf die Kunden eines Konkurrenten abgesehen hat. Wenn man den Hersteller geschluckt hat, wird manchmal die Entwicklung des übernommenen ERP-Systems nach einer gewissen Zeit eingestellt und den Kunden ein Angebot zum Wechsel auf das eigene ERP-System unterbreitet. Es gibt aktuell auch Beispiele für ERP-Anbieter, die nach einer Übernahme die übernommene ERP-Lösung weiter betrieben haben, selbst bei der Übernahme mehrerer Systeme. Die Frage ist nur, wie lange dies wirtschaftlich zu betreiben ist.

Ich möchte das Thema Investitionssicherheit auf diese Weise beschreiben: Wenn ein ERP-Anbieter eine gute Lösung mit zufriedenen Kunden und einer nennenswerten Anzahl an Installationen hat, werden sich im schlimmsten Fall, bei einem Verschwinden des ERP-Systems vom Markt, Personen finden, die für eine gewisse Zeit die Möglichkeiten schaffen, das System noch eine Weile am Leben zu erhalten. Diese Personen sind Angestellte des ERP-Herstellers, aus denen sich meist kleine Firmen gründen, die Programmierleistungen für das System anbieten. Genauso wird es Berater geben, die weiterhin mit ihren Beratungsleistungen Geld verdienen wollen. Aus diesen Gründen kann ein „gestorbenes ERP“ durchaus noch über Jahre betrieben werden. Es gibt Fälle aus der Vergangenheit, die dies belegen.