erp-systeme-erfolgreich-einsetzen

 Es spielt eine geringere Rolle, wie die Prozesse dokumentiert werden. Der Detaillierungsgrad ist das Wesentliche. Egal, ob die Dokumentation in einer Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder graphischen Systemen erstellt wurde. Es ist schön und manchmal auch sinnvoll, ein BPM-System (Business Process Management) dazu einzusetzen. In der Praxis habe ich in Unternehmen bis 500 Mitarbeiter selten erlebt, dass dieser Aufwand betrieben wurde. Mit Aufwand meine ich, dass man mit dem BPM-System eine Prozessoptimierung vornimmt, indem man automatisiert Prozesszeiten ermittelt, um Störungsgrößen zu identifizieren.

Ich möchte damit nicht sagen, dass man kein BPM-System einsetzen soll. Der Einsatz kann durchaus sinnvoll sein: Wenn man beispielsweise die Zusammenhänge der Prozesse graphisch darstellen, Verlinkungen zu anderen Objekten und die Verwaltung von verschiedenen Dokumenten an den Prozessen vornehmen kann, ist damit schon sehr viel erreicht. Man muss das richtige Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen beachten und sich für ein Systementscheiden, das zu dem Projekt passt.

Wie man die Prozesse aufnimmt und welche Dinge dabei besonders zu beachten sind, wird auf den Inhaltsseiten „Prozessaufnahme und –optimierung“ beschrieben. Dieser Punkt ist so wichtig, dass er in einem eigenen Themenbereich behandelt wird.

Die Wahrheit muss ins System!

Wenn dieser Leitspruch stets beachtet wird, sollten sich später keine größeren Probleme bei Systemumstellungen oder der maximalen Nutzung der Standardfunktionalität eines ERP-Systems ergeben. Die ERP-Hersteller haben den Funktionsumfang ihrer Systeme nicht auf der grünen Wiese erfunden, sie stellen einen Querschnitt aus vielen Unternehmen und der in den Unternehmen benötigten Funktionalität dar. Wenn man sich bei dem Design der eigenen Prozesse an den Leitspruch hält, dass die Wahrheit ins System muss, wird man eher in der Lage sein, die Standardfunktionalität der ERP-Systeme zu nutzen.

Ich möchte ein Beispiel verwenden: Ein kleiner, werkstattorientiert arbeitender Betrieb stellt Maschinen her und verwendet dazu ein CAD-System. In diesem System werden auch die Stücklisten abgebildet und an das ERP-System übergeben. Nun gibt es in den Maschinen einige Teile, die auf Kundenwunsch in verschiedenen Farben lackiert werden. Nennen wir die Teile „Blechteile“. Ein Mitarbeiter in der Materialwirtschaft hat alle Farben der Kunden im Kopf und lässt die Blechteile im Bedarfsfall in der entsprechenden Farbe lackieren. Man hat dies seit Jahren praktiziert, auch vor dem Einsatz eines ERP-Systems. Nachdem der Betrieb gewachsen ist, mehr Umsatz mit mehr Mitarbeitern macht, hat man festgestellt, dass man Probleme hat, die Blechteile in den entsprechenden Farben rechtzeitig zu disponieren. Es gibt Verzögerungen in der Montage, damit bei den Kundenterminen, es werden teilweise sogar falsche Farben ausgeliefert. Nach ein paar Untersuchungen hat man festgestellt, dass die Farbausprägungen in dem mittlerweile eingeführten ERP-System nicht abgebildet sind. Man hat also bei der ERP-Einführung diesen Prozess einfach nicht beachtet. Wahrscheinlich hatte man wichtigere Aufgabenstellungen zu lösen und „da war ja noch der Mitarbeiter, der die Farben im Kopf hat“. „Man kann das ja zu einem späteren Zeitpunkt nachholen“, hatte man sich damals wahrscheinlich gedacht. Die Annahme, dass man das zu einem späteren Zeitpunkt nachholen kann, ist generell richtig, aber auch extrem teuer und mit viel Aufwand versehen. Man hätte damals erkennen müssen, dass in den Stücklisten, die in der Konstruktion entstehen, eine Stücklistenebene fehlt. Und zwar genau die, die für die Farbausprägung notwendig ist. Ohne diese Stücklistenstufe kann man mit dem Standard eines ERP-Systems die Farbe nicht über die logistische Kette hinweg abbilden. Das Problem ist nun, dass Blechteile, die laut ERP-Definition ohne Farbe und unter einer eindeutigen Artikelnummer geführt werden, „in Wahrheit“ auch mit verschiedenen Farben im Lager geführt werden, dies ist aber im ERP-System nicht abgebildet. Den Bestellungen, die bei Lieferanten ausgelöst wurden, konnte man die Farbe des Blechteils nicht ansehen, es gab nur eine Artikelnummer. Eine Disposition dieser Blechteile war im ERP-System also nicht möglich, dementsprechend kam es bei Auftragsspitzen oder bei Krankheit oder Urlaub des „Farbenexperten“ zu großen Problemen.