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Kernpunkte und Problemfelder bei ERP-Softwareauswahl

Suche, Prüfung, Kauf, Einsatz stellen die wesentlichen Kernpunkte bei ERP-Software-Systemen für Industrie und Handwerk dar. Für Entscheider und Anwender ist es wichtig, mit dem nötigen Hintergrundwissen die richtigen Entscheidungen zu treffen oder sich ggf. Unterstützung durch externe ERP-Berater zu holen, um sich unnötiges Leiden zu ersparen.

Überblick über einige Kernpunkte der ERP-Softwareauswahl

Die Qual der Wahl

Auf dem Markt in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz „tummeln“ sich ungefähr 350–400 ERP-Systeme, je nach Auslegung des Begriffs ERP. Die Bandbreite reicht von namhaften Markenanbietern bis zu relativ unbekannten Nischen- und Speziallösungen. Alle haben temporär eine Existenzberechtigung, die sich in Form, Umfang, Kosten erheblich unterscheiden.

Das Pflichtenheft

Das Pflichtenheft beinhaltet die Anforderungen, die Ihre neue Anwendungslösung erfüllen soll bzw. muss. Es ist die Basis für den Kompromiss zwischen Wunschdenken und Realisierbarkeit einerseits und Machbarkeit und Kosten andererseits. Ein wichtiger Tipp an dieser Stelle: Das Pflichtenheft ist Pflicht! Eine irrige Meinung ist es anzunehmen, dass man kein Pflichtenheft braucht. Ohne brauchbares Pflichtenheft werden Sie keine erfolgreiche Systemauswahl betreiben können. Sie müssen reglementieren – die Anwender und die Anbieter.

Inhalte und Umfang des Pflichtenheftes

Ein „dickes“ Pflichtenheft, ein umfangreicher Funktions-/Fragenkatalog sichern nicht die Erfüllung der gewünschten Funktionalität – 2.000 Fragen oder mehr führen nicht unbedingt zum Ziel. Weniger kann mehr sein. Wichtig ist nur: Die abzubildenden, zu realisierenden Prozesse müssen detailliert dargestellt werden. In manchen Fällen ist es auch sinnvoll, Optionen auszuschliessen und zu beschreiben, was die Lösung nicht realisieren soll. Für die Festlegung des Funktionsumfangs benötigen Sie Prozessketten. Elementare Funktionen müssen präzise und genau beschrieben werden.

  • Was ist wichtig?
  • Auf welche Abläufe legen Sie Wert?
  • Welche Informationen müssen Sie in welcher Ausprägung erhalten?

Das Pflichtenheft ist der rote Faden für die Auswahl, für die Präsentation und für die Änderungen der Organisation. Wichtig: Das Pflichtenheft ist als Vertragsbestandteil beruhigend, aber untauglich. Das Pflichtenheft beinhaltet technische Rahmenbedingungen: Hardware-Sizing, Systemsoftware, Datenbank, Tools, Wachstumspotentiale von System und Anwendung.

10 Kardinalfehler in einer Präsentation

Für die Präsentation wird ein Leitfaden benötigt, der die Präsentation reglementiert und damit den Präsentierenden. Die Präsentation gestattet ein Abbild Ihrer Organisation und hilft Ihnen, eine Entscheidung zu treffen. Daher sollten Fehler und Versäumnisse an diesem Entscheidungspunkt möglichst vermieden werden!

1 – Der Anbieter sieht sich im Mittelpunkt, die Anforderungen des Anwenders bleiben auf der Strecke

Die Präsentation zielt vorrangig auf die sogenannten „Highlights“ des Anbieters ab – also auf das, was der Präsentierende aus seiner Sicht als wesentlich erachtet. Er möchte mit Dingen punkten, die in Ihrem Zielsystem vielleicht gar nicht als vorrangig eingestuft sind. Der Nachteil: Die „Highlights“ des Anwenders, also Ihre wichtigen und wesentlichen Anforderungen, gehen in der Präsentation unter. Auf Prozesse, die Ihnen organisatorisch in der Abwicklung Schwierigkeiten bereiten und Geld kosten, wird nicht in ausreichender Form eingegangen.

2 – Funktionale Löcher werden nicht erkannt

Der Präsentierende kann mit Geschick die Anwender von der Problematik ablenken, dass eine Funktion gar nicht „rund“ ist und dass im Nachgang eventuell „unschöne“ Eingriffe erforderlich sind. Die Anwender bekommen dies aber nicht mit und erkennen das Problem nicht in der Tragweite, wenn die funktionalen Löcher nicht sichtbar sind.

3 – Eine „blendende“ Oberfläche

Eine „schöne“ Oberfläche lässt die Funktionalität oftmals in den Hintergrund treten. Die Anwender sind in der Präsentation dann nur von der Oberfläche „geblendet“, sodass auf wichtige Funktionalitäten nicht mehr ausreichend geachtet wird.

4 – Fehlender Fokus auf die geforderte Funktionalität

Der Schwerpunkt auf die geforderte Funktionalität fehlt schlichtweg: Die geforderte Funktionalität kann nicht so hinterfragt werden, dass anschließend zweifelsfrei entschieden werden kann, ob der Anbieter wirklich eine akzeptable Lösung hat.

5 – Fehlen von Funktionalität – und keiner merkt es …

Fehlende Funktionalität wird verdeckt, nicht gezeigt und damit von den Anwendern nicht erkannt. Fehlende Funktionalität ist kein Mangel der Software, fehlende Funktionalität bedeutet eine Einschränkung in der Anwendung.

6 – Plötzlich geht alles ganz schnell in der Präsentation …

Eine plötzlich beschleunigte Funktionsdemonstration überspielt oft eine gezielte Nachfrage. Aufmerksam bleiben lohnt sich, denn hier tut sich vielleicht ein funktionales Loch auf!

7 – Gestatteter Funktionswirrwarr

Wenn die Auswirkungen einer Funktion nicht ausreichend verfolgt werden können, geht der notwendige Erläuterungsbedarf verloren. Klare Funktionsdarstellungen dürfen nicht an Unzulänglichkeiten der Präsentation, des Präsentierenden oder der Anwender scheitern.

8 – Fehlende Prozessketten

Ohne Prozessketten verliert die Präsentation an Wert. Sie sollten Prozesse nach Art des Ablaufs dokumentieren und nach benötigten Einsatzpunkten der Systemunterstützung . Wichtig ist auch, in welcher Ausprägung Sie funktionale Unterstützung erwarten.

9 – Das Gleiche ist nicht Dasselbe …

Der Anwender denkt, er und der Präsentatierende reden von denselben Anforderungen und denselben Funktionsinhalten. Hier können folgenschwere Irrtümer passieren, wenn in den begrifflichen Welten keine Deckungsgleichheit besteht.

10 – Fehlende Dokumentation

Protokollieren und Dokumentieren der Präsentation ist wichtig: So können Sie sich sich später in Beurteilungs- und Entscheidungsgesprächen in Erinnerung rufen, was eigentlich gezeigt wurde, vorhanden war, eindeutig oder auch ggf. nicht erkennbar war.

Der ERP-Software-Anbieter

Verlassen Sie sich nicht allein auf die Aussagen des Anbieters. „Der Anbieter weiß schon, was der Anwender will. Er wird’s schon richten“ ist hier nicht der richtige Ansatz. Der Anbieter kennt Ihre Probleme nur oberflächlich, wenn überhaupt. Organisatorische Besonderheiten und branchenspezifische Details sind ihm im Regelfall überhaupt nicht bekannt. Häufig werden daher Anforderungen als unlösbar, nicht sonderlich relevant oder unüblich bewertet.

Der ERP-Software-Anbieter als Partner

Der Anbieter will verkaufen und Ihnen zu Ihrem Glück verhelfen. Denken Sie daran: Sie müssen mit dem System leben, Ihre Organisation auf konkurrenzfähige Füße stellen. Sie wollen Arbeitsaufwand verringern, sich organisatorisch verbessern und Wachstumspotentiale eröffnen. Stellen Sie also dem Anbieter eindeutige Forderungen hinsichtlich seiner angebotenen Lösung.

Die Versprechungen der ERP-Software-Anbieter

Eine Funktion, die nur versprochen wurde, ist keine real existierende, funktionierende und bewährte Funktion. Das nächste Release kann viel mehr als die gegenwärtigen Anforderungen des Anwenders. Stellen Sie sich die Frage: Ist das Personal des Anbieters so qualifiziert, dass Ihnen geholfen werden kann? Natürlich können Sie auch allein ein System einführen, aber Sie werden im Regelfall die Möglichkeiten des ausgewählten ERP-Systems nur zu einem Bruchteil erkennen und umsetzen können.

Entscheidungskriterien

Der Anwender muss für den Entscheidungsprozess einen Fahrplan festgelegt haben. Folgende Kriterien sollte man dabei berücksichtigen:

Schutz der getätigten Investition

„Neutralität des ausgewählten ERP-Systems im Hinblick auf

  • Betriebssystem
  • Datenbankplattform
  • Integrationsfähigkeit mit gängigen Applikationsservern

Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang die klassische Weltentrennung zwischen Client-Server und internetbasierender Architektur, die man jeweils als Ausgangsbasis in die Überlegungen mit einbeziehen sollte.

Lebenszyklus und Marktpräsenz

Hier steht der Lebenszyklus der angebotenen Anwendung, die „Herkunft“ des ERP-Systems im Mittelpunkt. Im Focus stehen hier Fragen wie:

  • Hat das ERP-System seinen Zenit überschritten (wie ist seine Präsenz am Markt)?
  • Ist das ERP-System neu entwickelt oder aus einem Vorsystem evolutionär weiterentwickelt?

Wiederauffinden der eigenen Vorstellungen

Abbildbarkeit der eigenen Prozesse, Modifizierbarkeit, Erweiterbarkeit sind hier Gegenstand der Überlegungen. Eine ganz wichtige Frage hierbei ist: Soll das ERP-System aus der Anwendung heraus „erweitert“ werden können?

Entscheidungshilfen

Das Für und Wider in einem Entscheidungsprozess ist oft nicht vom eigenen Standpunkt aus zu beurteilen. In dieser Situation benötigt man häufig zusätzliche Informationen und muss wissen, wie man diese Informationen zielführend einsetzt. Sie können eine ERP-Auswahl allein durchführen und z.B. anonyme Unterstützung einkaufen (z.B. einen Fragebogen) und aus einer Auswahl universitär ausgerichteter Fragen eine Selektion versuchen oder einen der vielen kostenlos angebotenen Auswahllisten aus dem Internet abrufen.

Oder Sie kaufen sich externes Know-how ein und beauftragen ein ERP-Beratungsunternehmen wie die CERPOS, das Sie durch alle Projektphasen begleitet und Ihnen Sicherheit und Expertise bei Ihren ERP-Investitionen gibt.

Allgemeine Problemfelder und „Gefahren“

Der nicht sichtbare Unterschied

Die ERP-Systeme sehen mittlerweile „ziemlich ähnlich“ aus: Aber, es gibt Unterschiede – sogar gravierende! Darüber hinaus muss die Notwendigkeit von Mehraufwendungen für einen individuelle Anpassung erkannt werden.

Endlose Funktionsaufzählungen

Die Funktionslisten der ERP-Anbieter bestehen im Zweifelsfall aus einer imponierenden Anzahl von Auflistungspunkten: Hierbei ist zu beachten: Funktion ist aber nicht gleich Funktion, auch wenn sie benennungsgleich sind.

Oft verwendete Schlagwörter in der Auswahlphase

Seien Sie kritisch, wenn behauptet wird, ein ERP-System sei das modernste am Markt. Letztlich stellt sich die Frage, was „modern“ wirklich bedeutet, wie „modern“ ein ERP-System sein muss und ob Sie dieses „moderne“ ERP-System auch wirklich brauchen.

Die drei „I‘s“ der ERP-Softwareauswahl

Grundsätzlich helfen bei der ERP-Softwareauswahl folgende Fragestellungen, die in die Entscheidungsfindung mit einfliessen:

Integration

  • Wie viel Integration ist notwendig? Soviel Integration wie nötig!

Die Integration einer Anwendung zeigt die „Geschlossenheit“ der Funktionalität, den „Kreislauf“ der Daten und das Durchführen von Funktionen ohne Absetzen.

Investitionssicherheit

  • Was sind Ihre Anforderungen an Investitionssicherheit?
  • Was bedeutet für Sie Investitionssicherheit?
  • Wer ist im globalen Markt überhaupt sicher?
  • Wie lange kann sich der Anbieter (noch) am Markt halten?
  • Wie erhöhen Sie den Sicherheitskoeffizient für Ihre Entscheidung in einem möglicherweise unsicheren Umfeld?

Internationalität

  • Sind Sie global tätig?
  • Benötigen Sie eine Mehrwerke-Fähigkeit, vielleicht auch länderübergreifend?
  • Muss damit die Software mehrere Sprach- und Länderversionen zur Verfügung stellen?

Kosten der Lösung

Für die Investition in ein ERP-System gilt eine einfache Rechnung: Kosten und organisatorischer Zugewinn müssen im Einklang stehen. Wobei zu beachten ist, dass die Investitionsrechnung für ein neues ERP-System nicht vergleichbar mit der Investitionsrechnung für eine neue Maschine ist. Die Gesamtkosten stzen sich zusammen aus:

Anschaffungskosten:

  • Hardware / Systemsoftware / Anwendungen / Tools / Schulung / Beratung / Anpassungen

Folgekosten:

  • Lizenzgebühren / Beratung / Schulung / Erneuerungen des Systems zu seiner Lebenserhaltung (Erweiterungsinvestitionen)

Ein wichtiger Aspekt bei den Kosten: Ein ERP-System kann in der Grundanschaffung „günstig“ sein, jedoch einen hohen Aufwand für die Implementierung (Beratung, besonders qualifiziertes, eigenes Personal) bedingen. Auch ist zu berücksichtigen, dass man ggf. verschiedene Ansprechpartner hat statt alles aus einer Hand zu bekommen. Es existieren teils erhebliche Preisunterschiede – der Markt ist da nicht transparent. Diese Unterscheide können gerechtfertigt sein, das muss aber nicht in jedem Fall begründet sein.

Ziele, Realisierungsgrade der ausgewählten Anwendung

Das ERP-System verbessert die Organisation

Die Anforderungen der Organisation müssen mit der Funktionalität abgedeckt werden. Das ERP-System muss sich an die Organisationselemente anpassen, die sich bewährt haben. An den Stellen, an denen die Organisation Nachholbedarf hat, muss sich die Organisation an das ERP-System anpassen.

Erträgliche Kompromisse

Die Lücken des ausgewählten ERP-Systems müssen geschlossen werden, wenn sie organisatorisch nicht zufriedenstellend zu umgehen sind. Dabei müssen Sie sich die Frage stellen, was Ihre Organisation an Kompromissen verträgt.

Schlanke Lösung und Automatisierung

Schlanke Organisation, schlankes System, schlanke Funktionalität, schneller Einsatz, leichte Erlernbarkeit, hoher Automatisierungsgrad – es kann mehr automatisiert werden, als der Anwender sich vorstellt.

Benefits der Lösung

Mit der Anschaffung eines ERP-Systems tätigt man eine erhebliche Investition, die vielleicht auch mit einem organisatorischen Abenteuer einhergeht. Mit den Benefits ist Erfolg gemeint – monetär wie auch organisatorisch.

Erfolgreiche Inbetriebnahme

Ein ERP-System muss schnellstmöglich nach Inbetriebnahme eine anwendbare Form annehmen und möglichst reibungslos im Alltag funktionieren. Sie müssen überzeugt sein, eine richtige Entscheidung getroffen zu haben und dies auch nach außen tragen – alles andere wäre kontraproduktiv.

Verzichten Sie auf alte Gewohnheiten

Führen Sie das ERP-System immer im Hinblick auf Benefits ein und bewahren Sie nicht den alten Zustand. Nehmen Sie die Chance wahr, organisatorische Veränderungen zu betreiben, ein neues System kann neue Horizonte eröffnen.

Benefits? Heute, nicht irgendwann!

Achten Sie darauf, dass man Ihnen nicht verspricht, in zwei Jahren oder wann auch immer die Erfolge Ihrer Neuorganisation zu spüren. Bereits nach Einführung eines ERP-Systems müssen Sie spürbare Erleichterungen erkennen können und realisiert haben. Mit dieser Forderung stehen wir oft gegen die Anbieter.