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ERP-Systeme erfolgreich einsetzen

Aufbau Testsystem

Wenn ich einen Kunden das erste Mal besuche und mein Auftrag beispielsweise ein ERP-Audit ist, bei dem geprüft wird, ob der Kunde sein ERP-System optimal nutzt, ist eine meiner ersten Fragen, ob ein Testsystem vorhanden ist. Damit meine ich eine exakte Kopie des ERP-System, das in Betrieb ist. Idealerweise sollte das Testsystem auch an wichtige Fremdsysteme wie eine Finanzbuchhaltung, ein PDM oder ein QS-System, jeweils als Testsystem, angeschlossen sein. Die Antwort auf diese Frage ist oft sehr unterschiedlich und gibt mir einen wichtigen ersten Eindruck, wie das Unternehmen mit seinem ERP-System umgeht. Wenn die Antwort positiv ist, frage ich nach, wie aktuell die Daten des Testsystems sind. Wenn die Daten nur wenige Wochen alt sind, kann man davon ausgehen, dass sich jemand um das Testsystem kümmert und es auch genutzt wird. Wenn die Daten viele Monate oder auch Jahre alt sind, kann man davon ausgehen, dass das Testsystem selten genutzt wird. Nun kann es dafür wiederum zwei Gründe geben. Idealerweise läuft in dem Unternehmen alles so optimal, dass das Testsystem nur selten benötigt wird. Oder das Unternehmen nutzt das Testsystem nicht, weil man das Thema ERP nicht ernst nimmt und das produktive ERP-System im schlimmsten Fall nur als elektronische Schreibmaschine genutzt wird und das Testsystem nur ein Überbleibsel aus der Inbetriebnahme ist.

Ein Testsystem wird in der Regel immer installiert, wenn man ein ERP-System in Betrieb nimmt. Im Testsystem werden die ersten Daten eingespielt, die Keyuser ausgebildet und alle Einrichtungen vorgenommen. Erfolgreich vorgenommene Einstellungen und Anpassungen werden nach einer ausgiebigen Testphase in das produktive ERP-System übertragen. Im produktiven ERP-System werden aber keine Bewegungsdaten wie Kundenaufträge, Bestellungen oder Fertigungsaufträge angelegt. Es werden auch keine Buchungen vorgenommen. Die erste Anlage von Bewegungsdaten erfolgt bei der Datenübernahme zum Produktivstart. Nachdem der Tag der Inbetriebnahme gekommen ist und man ausschließlich mit dem neuen ERP-System arbeitet, also online ist, werden die Daten des Produktivsystems regelmäßig in das Testsystem übertragen. Dabei werden alle Daten im Testsystem überschrieben. Dies ist notwendig, da man in den ersten Tagen nach dem Onlinetermin meist einige Fälle hat, die eventuell noch nicht ganz rund laufen und man ein Problem nachstellen muss.

Dies kann in einem Testsystem problemlos und effektiv erfolgen, wenn aktuelle Daten vorhanden sind. Nach der Inbetriebnahme wird das Testsystem vom ERP-Team genutzt, wenn neue Anforderungen aus dem Tagesgeschäft eine Änderung an den Prozessen im ERP-System erfordern. Die Möglichkeiten, die das ERP-System bietet, und der Aufwand, der mit einer Umsetzung verbunden ist, um den Prozess im System optimal abzubilden, werden im Testsystem untersucht. Auch Nachschulungen von Endanwendern oder Schulungen von neuen Mitarbeitern erfolgen im Testsystem. Also kann man aus dem Zustand des Testsystems durchaus Rückschlüsse ziehen, wie ein Unternehmen mit seinem ERP-System und der wichtigen Ressource „Mitarbeiter“ umgeht. Spätestens, wenn der Kunde sein ERP-System wirklich nur als elektronische Schreibmaschine einsetzt, kann ich mir vorstellen, wie die ERP-Auswahl und Inbetriebnahme erfolgt ist. Unter anderem waren diese Erlebnisse einer der Hauptgründe für dieses Buch. Keiner soll später sagen können, er habe es nicht besser gewusst oder man ging davon aus, dass Berater nur Geld kosten, aber nichts bringen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich erkennen muss, dass ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern viel mehr erreichen könnte. In den wenigsten Fällen sind die Mitarbeiter an dieser Situation Schuld. Während meiner Gespräche erfahre ich oft, dass diese die Probleme sehr gut kennen und sich bewusst sind, dass die momentane Arbeitsweise nicht optimal ist. Ich möchte jedem Mut machen und nicht vergessen zu erwähnen, dass ich auch Firmen kennenlerne, bei denen das Thema ERP ernst genommen wird und Keyuser oder Endanwender sich regelmäßig im Schulungsraum treffen, um an den Prozessen zu feilen und das Unternehmen voran zu bringen. Diese Unternehmen stehen meistens auch wirtschaftlich sehr solide da. Es lohnt sich also, in ein ERP-System zu investieren.

Ein Testsystem reicht manchmal nicht aus!

Wie soll eine Anpassung an einer Schnittstelle zur Finanzbuchhaltung getestet werden? Im Produktivsystem ist dies nicht zu empfehlen, alleine für solche Fälle wird ein Testsystem benötigt. Wenn in einem System viel entwickelt werden muss, wird meist neben dem Testsystem noch ein Entwicklungssystem aufgebaut. Der Aufwand für die Einrichtung der Systeme hält sich meist in Grenzen. Es liegt also nicht am Aufwand, wenn man kein Testsystem nutzt. Und wenn der Aufwand zu hoch ist, ist dies ein Indiz dafür, dass man bei der ERP-Auswahl diesen Punkt nicht untersucht hat, denn es gibt an dieser Stelle sehr wohl Unterschiede bei den ERP-Systemen.